München - Christl Estermann, die Wirtin des Löwenstüberls, sagt am 31. Dezember Servus. Die Kultwirtschaft auf dem Trainingsgelände an der Grünwalder Straße verliert damit ihre gute Seele.
Löwen-Legende Christl hat sogar das passende Dirndl für die Wiesn.
„Natürlich bin ich traurig“, sagte Christl, „aber mit 69 ist es vielleicht auch an der Zeit, aufzuhören. Auch wenn es mir sehr schwer fällt und sehr weh tut.“ 1994 ist die Christl Chefin der griabign Kneipe geworden, nachdem sich in den Jahren zuvor viele Pächter die Klinke in die Hand gegeben hatten. Bayerisch-derbe Typen waren darunter, wie der Sepp, der immer darum bemüht war, ja keinen Wert auf Etikette zu legen. Als einmal ein neuer Gast ins Lokal kam und fragte, wo denn die Toilette sei, brummte der Sepp: „Draussd. Glei nebam Scheißhaus.“
Da ging’s bei der Christl dann schon gesitteter zu. Und sie war genau die Richtige. Schließlich hatte sie zuvor das C2 geleitet, eine Kneipe, die sich ebenfalls in der Grünwalder Straße befand und in der sich gerne Spieler und Adabeis des TSV 1860 die Kante gaben. 1994 war ohnehin ein guter Zeitpunkt für eine Übernahme des Löwenstüberl, das nur fünf, sechs Schritte vom Einser-Trainingsplatz entfernt ist. Die Sechziger waren nach dreizehn Jahren wieder in die Bundesliga aufgestiegen und es brummte wieder so richtig am Löwen-Gelände.
Und im Stüberl saßen prominente Gäste. Nämlich die Spieler. Ob ein Bernd Winkler oder Peter Pacult (wegen des Publiumslieblings hießen die Wiener im Stüberl übrigens eine Zeitlang nur Pacults), Thomas Miller oder Bernhard Trares. Sie alle schauten nach dem Training bei der Christl zum Mittagessen vorbei. Später dann natürlich auch Manni Schwabl, der an seinem ersten Tag ganz schüchtern fragte, ob man für ihn vielleicht auch eine Leberkässemmel übrig habe. Schwabl bildete im Stüberl eine Art Stammtisch mit Jens Jeremies, Horst Heldt, Matthias Hamann und Olaf Bodden, der auf die Frage von Christl, was er denn gern zu trinken hätte, fast immer antwortete: „Einen Eimer Beton.“
Der berühmteste Stammgast aber hieß natürlich Werner Lorant. Der Kulttrainer. Er saß vor dem Vormittagstraining im Stüberl, danach und am Nachmittag gab’s die gleiche Prozedur. „Mein Lorant“, sagte die Christl am Donnerstag. „Er war mein Lieblingsgast.“ Hektoliterweise hat er im Stüberl während seiner über neunjährigen Tätigkeit Espressi in sich hineingeschüttet, und seine Laune wurde immer sofort besser, wenn er erfuhr, dass Chefin Estermann Tafelspitz gekocht hatte.
In den letzten Jahren ließ sich kaum noch ein Spieler im Stüberl blicken. „Und auch sonst gab’s immer wieder mal schwache Zeiten“, nennt die Christl einen von mehreren Gründen für ihren Abschied. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass auch die Geschäftsführung des TSV 1860 schon seit einiger Zeit mit dem Plan spielt, frischen Wind in die Löwenkneipe zu bringen. So ganz freiwillig macht sich die Christl offenbar doch nicht vom Acker. Das urige Flair des Lokals will man angeblich behalten. Wir werden sehen...
Schneider im Stüberl: Überredet er Estermann zum Weitermachen?
Löwen-Boss spricht mit der Kult-Wirtin VON OLIVER GRISS
Gestern Abend klingelte bei Christl Estermann (69) das Telefon. Am anderen Ende: Löwen-Boss Dieter Schneider. "Er wusste nicht", so die Löwen-Wirtin, "dass ich als Wirtin bei 1860 aufhöre." Heute kurz vor halbzwölf stand Schneider dann im Löwenstüberl. Er verzog sich mit Estermann in die Küche. Ob er die Kult-Wirtin zum Weitermachen überreden will? Möglicherweise, denn der Unternehmer aus Dachau ist ein Traditionalist. Auflösung demnächst…
Ois anders! Christl will jetzt doch Wirtin bleiben
München - Chrisl Estermann, Wirtin des Löwenstüberls, ist eine Institution bei 1860. Die Nachricht von ihrem Abschied überraschte Präsident Schneider. Und nun kommt offenbar doch alles anders.
Das Telefon stand nicht mehr still bei ihr Freitagvormittag. Nachdem bekannt geworden war, dass Christl Estermann bis zum Jahresende als Wirtin des Löwenstüberls aufhört, klingelte ihr Handy in einer Tour. Gegen halb elf meldete sich auch Präsident Dieter Schneider. Und in diesem Gespräch war bereits zu erkennen, dass ihr Abschied offenbar gar nicht so freiwillig vonstatten geht, wie es am Donnerstag noch hieß. Schon nach wenigen Sekunden der Unterhaltung mit Schneider flossen bei Christl die Tränen. Der Löwenboss teilte ihr mit, dass er in etwa einer Stunde bei ihr vorbeischauen würde.
Schneider war offenbar von der Entscheidung völlig überrascht, denn Estermann sagte: „Er wusste von nichts.“ Erst kurz vor seinem Anruf habe er davon erfahren. Der Präsident traf sich dann mit Christl in der Küche zu einem 20-minütigen Gespräch. Estermann: „Er hat gesagt, Christl willst du bleiben?“
Sie will, wie im Lauf des Vormittags ziemlich deutlich wurde. Irgendwann wussten es fast alle Gäste, denn die 69-Jährige redete sich draußen im Biergarten ihren Kummer von der Seele. Dass sie eigentlich noch vorhatte, auf ihrem Gelände eine kleine Bratwurstbude aufzubauen, „aber das kann ich jetzt ja vergessen“, so Christl.
Spätestens da war klar, dass sich an der Grünwalder Straße wieder mal ein Drama aufgebaut hat, das anderswo nicht mal im Ansatz die Chance gehabt hätte, zu einer Aufführung zu gelangen. Denn natürlich ist Christl Estermann nach fast neunzehn Jahren als Kultwirtin eine Institution. Aber ein Fan sagte nicht ganz zu Unrecht: „Haben wir denn in diesem Verein keine anderen Sorgen?“
Überrascht zeigte sich am Freitag vor allem Geschäftsführer Robert Schäfer. Gegenüber der tz sagte er: „Frau Estermann hat mir am Donnerstag mitgeteilt, dass sie aufhören möchte, weil ihr das Ganze langsam zu viel wurde. Und ich hatte das Gefühl nach dem Gespräch, dass wir uns auch geeinigt hätten. Wenn ich jetzt höre, was sie am Tag danach erzählt haben soll, dann ist das etwas vollkommen anderes, als das, was wir besprochen hatten.“
Am Freitagmittag fuhr Estermann noch mal rauf zu Schäfer in den dritten Stock. Der Geschäftsführer erwartete eigentlich, dass sie ihre unterschriebene Kündigung mitbringt, aber das war nicht der Fall. „Ich habe nicht gekündigt“, sagte sie, „und habe es auch nicht vor.“