sicherlich haben einige schon vom Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ (so der Kurzname, da der tatsächliche Name sehr lang ist) vom DFB und der DFL gehört. Dieses brisante Thema betrifft JEDEN Fußballfan – ganz gleich, zu welchem Verein man hält und zu welcher Art von Fan man sich zählt, z.B. Ultra, Kutte, Allesfahrer, Unorganisierter oder irgendetwas anderes. Wir haben das erkannt und uns im turnusgemäßen Treffen mit Verantwortlichen des TSV München von 1860 vergangene Woche zu diesem Thema ausgetauscht. Wir wurden von Vereinsseite gebeten, unsere Anmerkungen zu erarbeiten und an den Verein weiterzuleiten. Wir haben uns somit diese Woche mehrfach getroffen und auch im regulären Fanratstreffen damit beschäftigt. Da wir der Meinung sind, dass die Folgen des Konzepts den Stadionbesuch für alle verändert, haben wir auch versucht, alle interessierten Löwenfans zu beteiligen. Einige Löwenfans, die nicht im Fanrat sind, haben sich sehr engagiert. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal dafür. Wir haben eine Stellungnahme erstellt und diese an die Vereinsverantwortlichen weitergeleitet. Aufgrund der guten Zusammenarbeit in der jüngeren Vergangenheit sind wir frohen Mutes, dass unsere Anliegen Gehör finden. Die vollständige Stellungnahme könnt Ihr hier nachlesen:
Sehr geehrte Verantwortliche des TSV München von 1860,
wie bereits angekündigt haben wir, der Fanrat des TSV München von 1860, uns mit weiteren Fans aus der gesamten Fanszene und darunter auch führenden Persönlichkeiten verschiedener Gruppen zusammen gesetzt, um uns ausführlich mit dem Konzept „Informationen und Diskussion über weitere Schritte zur Umsetzung der Ergebnisse der Sicherheitskonferenz in Berlin und der Innenministerkonferenz (‚Sicheres Stadionerlebnis‘)“ zu beschäftigen und unsere Anmerkungen hierzu zu erarbeiten. Im Folgenden möchten wir Euch nun unser Ergebnis darlegen.
Vorwort
Für den Anfang möchten wir erläutern, was der Fußball für uns Fans bedeutet. Diese vermeintliche Freizeitbeschäftigung ist für viele Fans mehr als nur ein Sport. Sie bietet die Möglichkeit, einen Ausgleich zum Alltag zu finden und sich sozial mit Gleichgesinnten aus allen Bevölkerungsteilen zu vernetzen. Der Fußball und der TSV München von 1860 nehmen einen hohen Stellenwert im Alltag und gesamten Leben der Fans ein. Dies gilt nicht nur für die besonders aktiven Fans, wie z.B. die Ultras, sondern für jeden Löwenfan. Für alle Stadionbesucher ergeben sich aus dem Konzept von DFB/DFL weitreichende Konsequenzen.
Um zu verstehen, wie das Konzept auf uns wirkt, sollte man sich bewusst werden, wie das Konzept überhaupt zustande gekommen ist und welche Ziele es verfolgt. Es entstand unter großem Druck der Medien und Politik – die sich immer nur dann für dieses Thema interessieren, wenn sie persönlichen Profit daraus schlagen können und somit am wenigsten geeignet sind, über diese Thematik zu diskutieren. Die Hauptbetroffenen, nämlich die Fußballbegeisterten, wurden hingegen weder direkt noch indirekt – zum Beispiel durch die Fanprojekte, Fanbetreuungen, Fanverbände, etc. – in die Diskussion mit eingebunden. Nach der Sicherheitskonferenz am 17. Juli in Berlin wurde öffentlichkeitswirksam behauptet, dass im nächsten Schritt die Fans Gehör bekommen sollen. Das Vorgehen seitens DFB/DFL legt aber nahe, dass eine aktive Mitarbeit der Fans nicht erwünscht ist. Anders können wir uns nicht erklären, warum den Fans nur wenige Tage Zeit zur Teilhabe am gesamten Prozess zugestanden wird, während sich die Verbandsverantwortlichen selbst sowie die scheinbar beauftragte Agentur für die Ausarbeitung des Konzepts sowie alle anderen Schritte in diesem Zusammenhang wesentlich langwierigere Fristen erlauben konnten.
Wenn man sich einmal ausführlicher mit den Vorschlägen der Verantwortlichen beschäftigt hat, erkennt man relativ schnell, dass auf 33 Seiten ausschließlich Repressionen beraten werden, aber nahezu keinerlei präventive Maßnahmen behandelt werden. Dadurch wird eine Drohkulisse geschaffen, die so weder zielführend noch ansatzweise notwendig ist. Bereits in der grundsätzlichen Ausrichtung wird festgestellt, dass „der Zuschauerservice bereits heute auf höchstem Niveau ist“, nur noch „Optimierungen vorgenommen werden können“ und „das Stadionerlebnis sowohl in der subjektiven Wahrnehmung als auch in der objektiven Beurteilung weiterhin sicher zu gestalten“ sind. Aus unserer Sicht wären hier kleinere, zielgerichtete Anpassungen wesentlich erfolgsversprechender gewesen, anstatt ein komplettes Umdenken in den Sicherheitsfragen zu erarbeiten. Evolution statt Revolution wäre hier das Maß der Dinge gewesen.
Uns ist keinerlei subjektive Meinung bekannt, die das Stadionerlebnis beim TSV München von 1860 nicht als vollkommen sicher beschreiben würde. Selbst bundesweit gesehen nimmt die ohnehin verhältnismäßig geringe Zahl an sog. „Vorfällen“ in Stadien der oberen Ligen weiter ab – wenngleich es in Ausnahmefällen durchaus noch zu Störungen kommen kann. Andere Großveranstaltungen in Deutschland, beispielsweise sämtliche größere Volksfeste, weisen wesentlich höhere Verletztenzahlen und sonstige Gefährdungspotentiale auf. Gerade im Hinblick auf den enorm hohen Besucherzuspruch ist die Zahl der durch andere Fans verletze Zuschauer enorm gering. Fußball gilt nicht umsonst als die sicherste Massenveranstaltung Deutschlands.
Ein großes Risiko sehen wir darin, dass der in den letzten Jahren etablierte und immer weiter verbesserte Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Fans und Euch massiv durch vom Ligaverband aufoktroyierte Auflagen gestört, wenn nicht sogar gänzlich unterbunden werden könnte. Ist das Konzept erst einmal in seiner derzeitigen Form verabschiedet, habt weder Ihr noch wir die Möglichkeit, lokal sinnvollere Absprachen und verbindliche Vereinbarungen zu treffen, da dies sogar die Lizenz gefährden könnte.
Deswegen fordern wir Euch hiermit dazu auf, sich eingehend mit unseren Anmerkungen zu beschäftigen und daraus die entsprechenden, unabdingbaren Maßnahmen abzuleiten und uns diese zu kommunizieren.
1.) Finanzielle Mehrbelastungen für den Verein
Im Allgemeinen halten wir es – wie bereits letzte Woche mit Euch besprochen – für durchaus sinnvoll, die Ordner deutschlandweit auf einheitliche Standards zu schulen. Allerdings sehen wir hier die Gefahr, dass die Vereine und somit auch der TSV München von 1860 alleine für die Kosten dieser sinnvollen Maßnahme aufkommen müssen. Gleiches gilt für die Verpflichtung, dass bei jedem Auswärtsspiel – unabhängig vom Gegner, der Brisanz der Partie sowie zu erwartender Probleme – die Vereinsordner die eigenen Fans begleiten sollen.
Gerade bei diesem Punkt könnten DFB und DFL deutlich machen, dass sie nicht nur Aktionismus betreiben, um ein aufgebauschtes „Problem“ angeblich durch ein Konzept gelöst zu haben, sondern dass sie tatsächlich die Sicherheit aller Beteiligten in einem Fußballstadion erhöhen wollen und auch bereit sind, sich finanziell daran zu beteiligen. Fraglich bleibt weiterhin, wer für die Kosten aufkommen muss, wenn beim Lizensierungsverfahren oder durch die DFB-Sportgerichtsbarkeit angeordnet wird, dass bauliche Maßnahmen zu treffen sind. Hier sei nur beispielhaft das Errichten von Drehkreuzen, Entkleidungscontainern, zusätzlichen Überwachungskameras, etc. zu nennen.
2.) Gefährdung des Verhältnisses der Vereine mit ihren Anhängern
Charakteristisch für das gesamte Konzept ist es, dass bei einer Umsetzung aller vorgesehenen Maßnahmen die Vereine z.B. dazu gezwungen werden, Fans, die als Tatverdächtige gelten, an die Sanktionierungsstellen auszuliefern und zu denunzieren. Dies fällt nicht in den Aufgabenbereich der Vereine, was später noch zu erläutern ist. Das kann dazu führen, dass die Fans sich vermehrt gegen den eigenen Verein stellen. Der Verein wiederum wird zu diesem Handeln gezwungen, da er somit einerseits potentielle Strafen verringern kann, andererseits aber auch zu befürchten hat, Probleme bei der Lizensierung zu bekommen, wenn er sich anders verhält. Durch diesen aufgezwungenen Unmut wird das Verhältnis vom TSV München von 1860 zu seinen eigenen Fans verschlechtert, ohne dass Ihr etwas dagegen tun könntet.
3.) Fundamentale Bestandteile des Fandaseins
Karten (insb. Auswärts-Eintrittskarten), Stehplätze, Zaunfahnen, u.a. werden im Konzept als geduldete „Privilegien“ deklariert, obwohl sie unter keinen Umständen Gegenstand irgendeiner Verhandlung werden dürften. Vielmehr handelt es sich dabei um jahrzehntelang entwickelte „Grundrechte“ aller Fußballfans, die den besonderen Charakter der gesamten deutschen Fanlandschaft ausmachen. Die DFL, die erst deutlich nach der Etablierung dieser Selbstverständlichkeiten gegründet wurde, maßt sich hier an, über Fanbelange zu entscheiden, die nicht in ihrem Handlungsbereich liegen. Sinnvoller wäre eine Anpassung aufgrund der örtlichen Gegebenheiten unter Einbeziehung der vorhandenen Erfahrungen aller unmittelbar Beteiligten, wie bisher erfolgreich beim TSV München von 1860 praktiziert.
Die Wirkung eines angedrohten Verbots von Stehplätzen müsste erst einmal nachgewiesen werden, was nur schwer vorstellbar ist. Selbst bei zahlreichen Spielen in den europäischen Wettbewerben, bei denen keinerlei Stehplätze zulässig sind, kommt nicht legalisierte Pyrotechnik zum Einsatz. Der Becherwurf in Hamburg beim FC Sankt Pauli ist ein weiteres Indiz dafür, dass nicht nur von Stehplätzen mögliche Gefahren ausgehen können. Vielmehr würde ein solches Verbot dazu führen, dass weniger gut situierte Schichten ausgeschlossen werden, da die Eintrittspreise ansteigen würden, was den sozialen Auftrag des Fußballs teilweise einschränken und das gesellschaftliche Gemeinschaftserlebnis behindern würde.
Die Drohung mit einem Stehplatzverbot macht sehr offensichtlich, wie die Doppelmoral des DFB funktioniert: Einerseits wird behauptet, Stehplätze in Fußballstadien seien ein unverzichtbares Gut und müssten erhalten bleiben, andererseits wird immer wieder gedroht, bei Verfehlungen aus Sicht von DFB/DFL Einzelner würden die Stehplätze für alle Fans abgeschafft werden. Wie bereits dargelegt, würden damit manche Fußballbegeisterte ausgeschlossen werden, während im Fernsehen immer wieder Werbespots des DFB zu sehen sind, in welchen für Integration geworben wird und dargestellt wird, wie gut der DFB diese Integration voran treibt. Der Charakter des Volkssports wird dadurch ad absurdum geführt.
4.) Überfällige Anpassungen der Fanbetreuung und Fanprojekte an die gestiegenen Anforderungen
Das Konzept fordert eine qualitative Überprüfung der Arbeit der Fanprojekte, was nichts anderes als ein Misstrauensvotum gegenüber der echten Fanarbeit ist. Gerade wenn man berücksichtigt, dass die Fanprojekte bis vor neun Monaten noch eine Zertifizierung durchlaufen mussten, stellt sich hier die Frage, ob eine erneute Überprüfung auch nur marginale Auswirkungen auf ein „Sicheres Stadionerlebnis“ hervorrufen kann. Auch in diesem Zusammenhang wird eine große Chance verpasst: Statt die Fanprojekte zu hinterfragen, sollte vielmehr eine Professionalisierung der Fanbetreuung im Ganzen und der Fanprojekte und Fanbeauftragten im Einzelnen erfolgen. Dazu sollten die angesprochenen Vereinsangestellten und Sozialarbeiter in ihrer Arbeit bestärkt und ihre Kompetenzen sowie Verantwortungsbereiche ausgebaut werden. Eine weitere wirkungsvolle Maßnahme wäre es, die Kosten für die Fanprojekte nicht einfach umzuverteilen, sondern tatsächlich zu erhöhen. Gerade in einer Stadt wie München, in der mehrere Vereine betreut werden müssen, sollten nicht nur DFB und DFL die finanziellen Mittel für die Präventionsarbeit an die real gegebenen Anforderungen anpassen (wie bisher nicht geschehen, sondern ausschließlich von uns gefordert!), sondern auch die öffentlichen Einrichtungen.
Die Ligaverantwortlichen erzwingen das Vorhandensein dieser Institutionen, vertrauen ihnen aber dennoch nicht. Wenn sie den, teilweise von ihnen geschaffenen, Ansprechpartnern kein Vertrauen entgegenbringen können, wie soll dann eine gute Basis für einen vertrauensvollen Umgang mit den Fans geschaffen werden? Innerhalb der Vereine sollte dafür eine eigene Stelle geschaffen werden. Darüber hinaus müssten die verschiedenen Aufgaben und Kompetenzen klar definiert und zugewiesen werden.
5.) Bedrohung der Vereine durch Einbindung in das Lizensierungsverfahren
Interessant ist auch die Forderung, dieses Konzept und die daraus entstehenden Maßnahmen in das Lizensierungsverfahren aufzunehmen. Uns erscheint das völlig haltlos. Der DFB ist ein Sportverband, der sich um die sportlichen Belange zu kümmern hat – die DFL um den organisatorischen Ablauf des Ligaalltags. Für die Erteilung einer Lizenz ist lediglich von Bedeutung, ob der Verein sportlich wie auch finanziell in der Lage ist, den Ligaalltag zu bewältigen. Warum nun auch das Themengebiet Sicherheit maßgebend sein soll, ob ein Verein die Lizenz erhält oder nicht, wird nicht offen gelegt. Die Manipulationsmöglichkeiten für gegnerische Fans würden damit ins Unermessliche erwachsen. So ist es beispielsweise denkbar, dass einem Verein, der sportlich kurz vor einem Abstieg steht, so oft negative Vorfälle durch rivalisierende Fans eingebracht werden, bis ein lizenzrechtlich möglicher Punktabzug die letzten Versuche zum Klassenerhalt zunichtemachen könnten. Auch weniger dramatische Szenarien erscheinen realistisch.
Nicht zu verachten bleibt auch der Fakt, dass eine Aufnahme der geforderten Kriterien in das Lizensierungsverfahren einen exorbitant gesteigerten Aufwand für alle Vereine bedeuten würde. Dies würde sich sowohl in den notwendigen Anstrengungen, als auch den damit mittelbar wie unmittelbar verbundenen Kosten niederschlagen.
Einen möglichen, aber vermutlich gar nicht existenten Zusammenhang bleiben DFB und DFL den Vereinen sowie allen anderen Beteiligten leider schuldig. Eine Fokussierung der Lizenzerteilung ausschließlich auf sportliche wie finanzielle Vorgaben steht im Interesse des Sports.
6.) Fancharta
Chronologisch gesehen blocken DFB und DFL die Kommunikation mit den Fans schon seit längerer Zeit ab. Bestehende Gespräche wurden einseitig abgebrochen – neue Gespräche wurden nicht zugelassen. Jetzt möchten die Ligaverantwortlichen den Vereinen und Fans aufzwingen, einen Dialog führen zu müssen. Hier müssen sie sich die Frage gefallen lassen, warum sie selbst keinerlei Gesprächsbereitschaft zeigen, die Vereine aber dazu verpflichten. Man kann sagen, dass von genau diesen Offiziellen nur noch über die Fans gesprochen wird, anstatt mit ihnen. Dies wird unvermeidlich dazu führen, dass bestehende Dialoge zwischen den Fans und ihren jeweiligen Vereinen gefährdet werden. Gerade beim TSV München von 1860 haben wir mit Euch, den aktuell Verantwortlichen, einen unserer Meinung nach guten Austausch aufbauen können, der ungemein wichtig für alle Seiten ist.
In den verpflichtenden Mindestvorgaben geht es ausschließlich um „muss-Vereinbarungen“; denkbare „kann-Vereinbarungen“ werden nicht berücksichtigt. Derartige „muss-Forderungen“ sind ohnehin hinfällig, da in den meisten Vereinen bereits ein Konsens bzw. ein inoffizieller Verhaltenskodex existiert, in dem durch konstruktive Diskussionen ein Gewaltverzicht und/oder ein Bekenntnis gegen Diskriminierung und Rassismus herbeigeführt wurde. Hierbei muss aber darauf geachtet werden, dass Begriffe wie Diskriminierung und Rassismus ausschließlich im rechtstaatlich bereits definierten Zusammenhang aufgefasst werden, damit nicht nahezu jegliche Äußerung als „diskriminierend“ abgetan und somit verboten werden kann. Dies würde nicht der Meinungsfreiheit entsprechen.
Stattdessen sollte mehr auf einen von beiden Seiten gewollten statt auf erzwungenen bzw. vorgegebenen Dialog gesetzt werden. Ein guter Dialog, der eine sinnvolle Zusammenarbeit ermöglicht, kann niemals von außen – in diesem Fall von DFB/DFL – initiiert werden. Eine Durchsetzung dieses „Zwangsdialogs“ ist noch weniger denkbar. Die Umsetzung einer Fancharta kann nicht – selbst oder gerade wenn sie für jeden Verein verpflichtend ist – dafür sorgen, dass ein höheres Maß an Sicherheit erreicht wird. Realistisch betrachtet führt das eher dazu, dass die Fancharta ein weiteres Instrument ist, um gegen die einzelnen Gruppen vorzugehen. Auf was sonst soll eine Formulierung wie „Sinnvoll und erforderlich ist hier eine ‚Selbstbindung‘ der Clubs, so z.B. keine Eintrittskarten mehr an Fanclubs zu vergeben, welche nicht bereit sind, eine Fanvereinbarung mit den genannten Mindestinhalten […] abzuschließen“ gerichtet sein? Das würde die einzelnen Fanszenen spalten, was für nahezu alle Fans des TSV München von 1860 katastrophale Folgen hätte. Gerade befindet man sich bei uns in einem Prozess, bei dem sich verschiedene Fanlager wieder annähern. Besonders an unserem Beispiel kann man sehen, wie negativ eine Fanspaltung für alle Beteiligten ist. Dieser herbe Rückschlag darf nicht hingenommen werden!
7.) Stadionverbote
Heutzutage ist eine Verschärfung der Stadionverbotsrichtlinien kategorisch abzulehnen. Aufgrund der bisher gesammelten Erfahrungen müsste vielmehr überprüft werden, ob die Stadionverbote die zumindest offiziell angegebenen Erwartungen tatsächlich erfüllt haben, oder ob es nicht alternative Maßnahmen gäbe, die zielführender wären.
8.) Kollektive Bestrafung
Derselbe Kritikpunkt, der bereits im Punkt 6.) erläutert wurde, ist auch hier gerade im Hinblick auf die Gegebenheiten unseres Vereins anzubringen: Kollektivstrafen wirken ebenfalls spaltend! Gesamte Gruppierungen oder gar Fans eines Vereins werden durch Handlungen Einzelner mit Sanktionen belegt. Außerdem werden die dialogbereiten Gruppen bestraft. Trittbrettfahrer und rivalisierende Fans (selbst innerhalb der Fanszene eines Vereins) können somit mit sehr einfachen Mitteln großen Schaden anrichten. Dies könnte im Extremfall sogar zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage im gesamten (deutschen) Fußball führen. Kriminelles Verhalten wird somit gefördert, statt eingeschränkt oder unterbunden. Kollektivstrafen stellen darüber hinaus ein Gebaren der privatisierten Justiz dar, welche mit rechtstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar sind. Diese rechtsstaatlichen Grundsätze sind aber für ein Zusammenleben in einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft unabdingbar.
9.) Forderung an Dritte & Einhaltung der rechtlich bindenden Datenschutzbestimmungen
Forderungen, dass Dritte (in diesem Fall der beteiligte Verein) in einem laufenden Verfahren mehr und zu einem früheren Zeitpunkt über den Stand der Ermittlungen erfahren sollen, als der Tatverdächtige selbst, empfinden wir als blanken Hohn und wirken für jeden Tatverdächtigen wie ein Schlag ins Gesicht. Dies ist eine Aushebelung geltender Rechtsnormen, die demokratisch legitimiert sind. Der ohnehin schon fragwürdigen Praxis der Datenweitergabe von staatlichen Organen an private Außenstehende wird daher noch weiter Vorschub geleistet. Der Schutz der Person – ganz gleich, ob es sich um einen Tatverdächtigen, einen Beschuldigten oder einen Beklagten handelt – wird dadurch gänzlich ausgeschaltet; Willkür ist somit Tür und Tor geöffnet. Noch weiter gehende Rufe nach der Weitergabe persönlicher Daten sogar bei einer belanglosen Personalienfeststellung lassen Zweifel am Rechtsverständnis des DFB/der DFL aufkommen. Die Folgen sind unüberschaubar und unvorhersehbar.
Offensichtlich verlangt der Ligaverband, dass Tatverdächtige möglichst schnell ermittelt werden sollen, um als abschreckendes Beispiel herhalten zu müssen. Dies kann niemand befürworten, da bei so wichtigen Dingen wie Strafermittlungen nach wie vor Sorgfältigkeit vor Geschwindigkeit im Vordergrund zu stehen hat.
Im Zusammenhang mit dem Thema Datenschutz kann die Datei „Gewalttäter Sport“ nicht ungenannt bleiben. Für diese undurchsichtige Datenbank sollten endlich Richtlinien erlassen werden, die juristisch eindeutig sind und für jeden einsehbar und verständlich sind. Hier kann Transparenz auch zu mehr Akzeptanz führen, wenn dies gewollt wäre.
Beim TSV München von 1860 sollte sich der Datenschutzbeauftragte dazu verpflichten, jeglichen Datenschutzmissbrauch zu melden – alleine schon, um sich selbst vor rechtlichen Ansprüchen ihm und dem Verein gegenüber abzusichern. Wenn DFB/DFL schon öffentlich über einen Fan-Award für besonders positives Fanverhalten nachdenken, wäre ein Award für Vereine, die den Datenschutz achten und Verstöße, beispielsweise seitens der (Ermittlungs-) Behörden, melden, durchaus angebracht.
10.) Einschränkung der Grundrechte / Aufbau eines Staats im Staat
Bemerkenswert ist, dass das vorliegende Konzept mindestens die Grundsteinlegung für den Aufbau eines eigenen Staats im Staat bedeutet. So werden teilweise bereits bestehende Gesetze ignoriert und an anderen Stellen eigene Gesetzmäßigkeiten geschaffen. Für jedermann ersichtlich wird es, wenn man sich verdeutlicht, dass bestehende Rechtsnormen z.B. in die AGBs für das Ticketing aufgenommen werden sollen. Dies zeigt eindrucksvoll, dass die Ligaverantwortlichen die geltenden Vorschriften, Richtlinien, Regelungen und Gesetze zumindest partiell ignorieren und für unnötig erachten. Es ist bereits jetzt Realität, dass sich ein Stadionbesucher beim Kauf einer Eintrittskarte an die Stadionordnung sowie an alle geltenden Normen bindet.
Ein Beispiel für die Nicht-Anerkennung wirksamer, gesamtgesellschaftlich akzeptierter und notwendiger Rechtsvorschriften ist das Ignorieren des Notwehrtatbestands. So erhält ein Fan, der von ordentlichen Straf- und/oder Zivilgerichten freigesprochen wird, da die Rechtswidrigkeit seiner Tat aufgrund einer Notwehr- oder Nothilfelage nicht gegeben war, regelmäßig dennoch ein Stadionverbot oder eine andere Sanktionierung.
Fraglich ist demzufolge, wie der Begriff „Gewaltfreiheit“ zu verstehen ist. Soll eine Notwehrhandlung nun als gewaltfrei gelten oder wird „Gewalt“ selbst in einem solchen Fall nicht toleriert („Zero tolerance“)? An diesem Beispiel erkennt man auch das Bestreben der Verantwortlichen, wichtige Begriffe bewusst undefiniert zu lassen. Dies hat zur Folge, dass jegliche unliebsame Aktion unter einen dieser Begriffe subsumiert werden kann. Auch dies deutet auf den Aufbau einer privatisierten und vom staatlichen Zugriff losgelösten Justiz hin.
Des Weiteren muss hinterfragt werden, woher plötzlich die Kompetenz der DFB-Sportgerichte kommen soll, Urteile in Themenfeldern abseits des Sports fällen zu können. Die DFB-Sportgerichte haben den ausschließlichen Auftrag, sportliches Fehlverhalten Aktiver zu ahnden. Dies wird dadurch legitimiert, dass sich alle Fußballer, Trainer, etc. freiwillig an diese Gerichtsbarkeit binden. Eine weitere demokratisch notwendige „Absegnung“ ist nicht erfolgt. Insbesondere binden sich Fans beim Kauf einer Eintrittskarte bzw. beim Betreten des Stadions nicht an die Zuständigkeit der DFB-Sportgerichte für strafrechtlich relevante Verfehlungen. Hier liegt das Gewaltmonopol unumstritten beim Staat. Es kann nicht vom DFB/der DFL gewollt sein, dieses Gewaltmonopol auszuhebeln. Die DFB-Sportgerichte entsprechen also keinen ordentlichen rechtsstaatlichen Prinzipien; für die Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staats sind ausschließlich die ordentlichen Gerichte bestimmt! Beim Fehlverhalten eines Fans hat dieser neben einer strafrechtlichen sowie möglicherweise zivilrechtlichen Bestrafung in der Realität aber auch mit negativen Konsequenzen durch den Ligaverband zu rechnen, was de facto einer Doppelbestrafung gleich kommt. Persönliche Freiheiten werden bereits durch die rechtsstaatlichen Maßnahmen mitunter unverhältnismäßig eingeschränkt (Stichwort Vergabe von Betretungsverboten), so dass eine zusätzliche Einschränkung der Rechte für den Betroffenen unnötig ist.
Vereine sind keine Ermittlungsbehörden! Bereits heute gibt es Vereine, die aktiver als angenommen an Ermittlungsverfahren teilnehmen bzw. diese sehr ausführlich unterstützen. Hier werden noch weitergehende Entwicklungen in diese Richtung gefordert, was weder Polizei, Staatsanwaltschaft, Vereine oder Fans gutheißen können.
Im Ligaalltag werden sowohl die Heim- als auch Gästefans durch privatisierte Ordnungsdienste und Sicherheitsunternehmen am Eingang kontrolliert. Sowohl Container als auch Zelte, die der Entkleidung dienen, durchbrechen erneut das Gewaltmonopol des Staats. Zwar kann man hier entgegenhalten, dass sich kein Stadionbesucher diesem Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte unterziehen muss – wie es bei einer polizeilichen Maßnahme der Fall wäre – allerdings wird ihm als Konsequenz daraus der Zugang zum Stadion verwehrt. Gerade nach einer mehrstündigen Anfahrt führt dies dazu, dass im Zweifel jeder Fan diese unangenehme Prozedur über sich ergehen lässt. Dadurch wird auch hier ein mittelbarer Zwang ausgeübt. Die dauerhafte Errichtung solcher Container verleitet dazu, diese Art vermeintlich sicherheitsversprechender Kontrollen inflationär durchzuführen und Usus werden zu lassen.
Interessant erscheint das Gedankenspiel, wie sich die Funktionäre und Offiziellen zu diesem Thema äußern würden, wenn sie sich auch nur ein einziges Mal einer solchen auch jetzt schon teilweise willkürlich durchgeführten Kontroll- und Sicherheitsmaßnahme unterziehen müssten.
Fazit
! Dieser vom DFB/der DFL aufgezwungene, inakzeptable Zeitrahmen für die Beurteilung durch Fans bietet äußerst ungute Rahmenbedingungen, um eine qualitative und aussagekräftige Auseinandersetzung gewährleisten zu können.
! Auch in vielen anderen Fanszenen hat trotz der zeitlich schwierigen Situation eine inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden. Dies deutet auf die massive Brisanz für alle Stadionbesucher in Deutschland hin. Wir haben beim TSV München von 1860 eine etablierte Kommunikation und (auch daraus resultierend) weniger Probleme als andere Fanszenen/Vereine. Die von Verbandsseite diktierten drakonischen Maßnahmen behindern diese etablierte Kommunikation und könnten zu Funkstille führen. Jedenfalls schaffen sie weitere Problemen, anstatt sie abzubauen. Wenn sich der TSV München von 1860 nicht im Sinne seiner Fans dagegen wehrt, verbleiben diesen gar keine Möglichkeiten des Widerstands.
! Bei nahezu allen Fanszenen, die sich mit dem Konzept auseinandergesetzt haben, stößt das Papier auf Ablehnung und die Folgen werden fast ausschließlich nicht gut geheißen. Nun sollten auch die entsprechenden Vereine den Mut haben, das offen zu legen und sich gemeinsam darüber zu verständigen. Daraus müssen gemeinsam die notwendigen Konsequenzen gezogen werden!
! Auch ein Vertreter des TSV München von 1860 hat bei der Sicherheitskonferenz in Berlin die Absichtserklärung unterschrieben, da von den Offiziellen des Ligaverbands beteuert wurde, dass daraus keine direkten Maßnahmen abgeleitet werden würden. Als nächster Schritt sollten die Fans mit eingebunden werden, was aber nicht geschehen ist. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass die Absegnung des Konzepts weitreichende Folgen für alle Stadionbesucher in Deutschland hat, ohne dass diesen die Möglichkeit gegeben wurde, am Konzept mitzuwirken. Wehrt Euch in unserem gemeinsamen Interesse!
! DFB/DFL täten gut daran, die Fanszenen sowie die in den Vereinen für die Umsetzung von Bestimmungen Verantwortlichen in die Erarbeitung gemeinsamer Lösungsstrategien mit einzubeziehen. Dadurch würden Ressentiments abgebaut; außerdem sind Maßnahmen, die gemeinsam mit Vereins- und Fanvertretern ausgearbeitet wurden, leichter zu vermitteln und angemessener gestaltbar.
! Dieses Konzept ist wie dargelegt nicht nur aus Sicht von Fußballfans, sondern auch aus rein rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in vollem Umfang abzulehnen.
Wir wollen hiermit noch einmal sehr deutlich machen, dass dieses Konzept NICHT mit der Beteiligung oder Billigung der Fans des TSV München von 1860 zustande gekommen ist. Sollte ein Vereinsverantwortlicher des TSV München von 1860 am 12. Dezember 2012 in der DFL-Mitgliederversammlung dieses Konzept unterschreiben, handelt er ausdrücklich entgegen der Meinung und Einschätzung der von uns repräsentierten Fans!