Theo Zwanziger sieht sich selbst gerne als Mann des Ausgleichs, doch nun sorgt er plötzlich für richtig Zoff. Mit seinem verbalen Feldzug gegen Deutschlands prominente Fußball-Macher hat der ehemalige DFB-Präsident Verärgerung und Verwunderung ausgelöst. Einen Tag vor dem Verkaufsstart seines Buches «Die Zwanziger Jahre» verschärfte der ehemalige DFB-Präsident seine Vorwürfe gegen Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß und attackierte auch noch den neuen DFB-Chef Wolfgang Niersbach massiv. «Mir ist aufgefallen, dass mein Freund und Nachfolger Wolfgang Niersbach mir zu schnell und zu oft die Rückkehr des DFB zum Kerngeschäft betont hat», sagte Zwanziger in einem Interview der «Welt am Sonntag».
Unter Niersbach kämen die von ihm in den Mittelpunkt gestellten sozialen Aktionen zu kurz, monierte Zwanziger. Niersbach wollte sich am Samstagabend beim «Sportpresseball» in Frankfurt durch die in dieser Form im deutschen Fußball bislang einmalige Nachfolger-Schelte nicht die gute Laune verderben lassen. «Eigentlich ist jedes Wort zu viel. Aber ich würde Uli Hoeneß nicht widersprechen», sagte er.
Der Bayern-Präsident hatte wenige Stunden zuvor die in dieser Woche vorab aus Zwanzigers Buch veröffentlichten kritischen Äußerungen zu seiner Amtsführung als Bayern-Präsident nicht mehr widerspruchslos hinnehmen wollen. «Dass Theo Zwanziger kein guter Präsident ist, wusste ich schon lange. Dieses Buch wird ihn nach seinem mehr als peinlichen Rücktritt endgültig in die Isolation treiben. Mehr ist dazu nicht zu sagen», polterte Hoeneß zurück.
Zwanziger legte gegen seinen Intimfeind Hoeneß im Interview der «Welt am Sonntag» mit Kritik an dessen Äußerungen zur Krise im Weltverband FIFA sogar noch nach. «Er hat mich maßlos enttäuscht, vor allem im internationalen Bereich mit pauschalen Sprüchen der Kategorie "Alle sind korrupt" und "Ich weiß alles besser" und des gleichzeitigen Fehlens der Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen», wetterte Zwanziger.
Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge drückte sein Erstaunen über den Vorstoß aus. «Ich weiß nicht, warum man diese Dinge überhaupt mitteilt, weil es sind ja am Ende des Tages Indiskretionen. Ich sage: Ein DFB-Präsident muss auch still und niveauvoll mit seinen Indiskretionen oder Diskretionen umgehen und sollte sie nicht der Öffentlichkeit kundtun», sagte Rummenigge.
In das gleiche Horn stieß auch Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen, der zugleich im Vorstand des Ligaverbandes sitzt: «Es ist ausgesprochen ungewöhnlich, dass ein ehemaliger DFB-Präsident ein Buch schreibt. Das ist ein Ehrenamt von höchstem Vertrauen, in dem Dinge behandelt und besprochen werden, die nicht in die Öffentlichkeit gehören», rügte Bruchhagen am Sonntag in der SPORT1-Sendung «Doppelpass».
Offen ist vorerst, inwiefern Zwanziger seine Position im nationalen Machtzirkel selbst beschädigt hat. Als höchster deutscher Funktionär in FIFA- und UEFA-Exekutive muss er bis 2013 (UEFA) und 2015 (FIFA) auch die Interessen des deutschen Fußballs und der von ihm gescholtenen Akteure vertreten.
In vorab veröffentlichten Buchpassagen hatte Zwanziger auch schon DFB-Teammanager Oliver Bierhoff für dessen Verhalten im Vertragspoker mit Bundestrainer Joachim Löw vor knapp drei Jahren angegangen und Geheimpläne zu einer möglichen Entlassung des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann während der WM 2006 offenbart.
Seinen DFB-Nachfolger Niersbach kritisierte Zwanziger auch dafür, dass der Besuch einer DFB-Delegation im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz vor der Europameisterschaft «zu schnell abgetan» worden sei. Zudem habe man es bei der EM verpasst, mit Kranzniederlegungen in der Ukraine oder einem Treffen mit den oppositionellen Klitschko-Brüdern ein Zeichen zu setzen.
«Darum hatte ich das Gefühl, dass der innere Antrieb fehlte, ein so wichtiges Zeichen wie den Auschwitz-Besuch wirklich glaubwürdig zu machen», sagte Zwanziger mit Blick auf Niersbach. Auch im Zwanziger-Buch wird Niersbach mit einer verbalen Spitze für seine Nähe zum Profifußball bedacht. Auch er werde noch Besuche bei Amateurfußball-Spielen «schätzen lernen, wenn er dort einer von hundert Zuschauern ist und nicht einer unter fünfzigtausend.»
In der Frankfurter Verbandszentrale - so hört man nicht nur hinter vorgehaltener Hand - herrscht seit Tagen Kopfschütteln bei vielen Mitarbeitern über Zwanzigers komplett undiplomatisches Vorgehen. Die Suche nach Motiven führt dabei in zwei Richtungen. Eine aggressive Vermarktungsstrategie für die Autobiografie wird vermutet. Zwanziger weniger gesonnene Stimmen sprechen von einer gewissen Verbitterung durch den Machtverlust nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt.
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