München - Sein Abschied vom TSV 1860 soll intern besiegelt sein. Mit Florian Hinterberger selbst hat jedoch niemand gesprochen. Und was wäre eigentlich mit der Suche nach einem Nachfolger?
Florian Hinterberger soll nach dem Willen des Investors abgelöst werden
Auf den ersten Blick sieht Florian Hinterberger aus, wie er immer aussieht: Unrasiert, cool; auch sein lässiges Cowboy-Lächeln blitzt immer wieder auf. Wäre Hinterberger (54) nicht überzeugter Nichtraucher, würde er auch als Marlboro-Mann eine gute Figur abgeben. Der Sportchef des TSV 1860 kommt von einem wichtigen Termin; das Handy, das er lautlos stellt, vibriert unentwegt. Man ahnt, dass es am Nachmittag weitergeht mit Terminen. Alles wie immer. Und doch irgendwie anders.
Wenn es nämlich stimmt, was gut informierte Quellen kolportieren, hat Hinterberger zwar noch fünf Monate einen Job, aber keine Perspektive mehr, die ja irgendwo Grundvoraussetzung für die Arbeit eines Sportchefs ist. Seine Ablösung zum Saisonende soll intern besiegelt sein. In der Kompromissvereinbarung mit Investor Hasan Ismaik ist dem Vernehmen nach geregelt, dass zum 1. Juli ein neuer Sportchef installiert werden muss, einer „mit Erst- und Zweitligaerfahrung“. Nur: „Ob das so stimmt, wie’s geschrieben wurde, weiß ich nicht“, sagt Hinterberger. „Fakt ist, dass ich wie letzte Saison einen Jahresvertrag habe. Und bis ich vom Verein etwas anderes höre, mache ich meine Arbeit normal weiter.“
Seinen Job für Januar hat Hinterberger erledigt. Zwei Stürmer geholt (Ola Kamara, Rob Friend), diverse Defensivoptionen geprüft (u.a. Ex-Nationalspieler Malik Fatih), letztlich aber verworfen, denn mit Hinblick auf die stets ungewissen Finanzen „gehen wir jetzt kein Risiko ein“. Hasan Ismaik hat zwar schriftlich zugesagt, den zwischenzeitlich aufgekündigten Dreijahresvertrag zu erfüllen, doch was heißt das schon?
Überhaupt Ismaik. Zum einen hat der Investor mit seinen Darlehen dafür gesorgt, dass der Sportchef in den letzten zwölf Monaten ein bisschen Geld ausgeben durfte. 900.000 Euro insgesamt, wie Hinterberger vorrechnet: „Dafür haben wir zehn Spieler geholt, die laut den Datenbanken einen Marktwert von mehr als zehn Millionen Euro haben.“ Auf der anderen Seite weiß Hinterberger, dass der Investor und seine Berater diejenigen sind, die die Arbeit des Sportchefs am oberflächlichsten bewerten. Schon wegen ihrer Entfernung zum Geschehen. „Was macht Blanco? Nichts!“, urteilte Ismaik-Cousin Noor Basha über den Argentinier Ismael Blanco. Der Rückschluss, den der Ismaik-Clan zog: Nicht nur Blanco ist unfähig, sondern auch der Mann, der den Null-Tore-Stürmer geholt hat.
Blanco (29) ist inzwischen zurück in Argentinien, „das konnten wir ohne Schaden für den Verein korrigieren“, sagt der Sportchef. Trotzdem wird der Name Blanco für immer mit Hinterberger verbunden bleiben. Blanco steht bei 1860 für das Versagen wie Francis Kioyo für den Abstieg 2004 steht. Dabei war es Reiner Maurer, der den Stürmer auf Gedeih und Verderb haben wollte. Hinterberger sah den in die Jahre gekommenen Ex-Griechenland-Profi von Anfang an skeptisch. Er bot Maurer stattdessen die jungen Stürmer Marco Stiepermann (jetzt Cottbus) und Philipp Hofmann (Paderborn) an, für das gleiche Geld. Doch er wollte dem Ex-Trainer seinen Herzenswunsch nicht ausschlagen. Es ehrt Hinterberger, dass er öffentlich stets die Mitverantwortung übernahm. Aber letztlich könnte ihn diese Loyalität den Job kosten.
Oder kommt am Ende doch wieder alles ganz anders? Angesprochen auf die ungewisse Zukunft des Sportchefs ließ Geschäftsführer Robert Schäfer mitteilen: „Florian Hinterberger hat einen Vertrag bis Saisonende. Wir werden uns zu gegebener Zeit mit ihm zusammensetzen.“ Sind die Löwen also nur zu feige, dem beliebten Mitarbeiter reinen Wein einzuschenken? Oder lautet die Strategie: Abwarten, wie die Saison verläuft, wie die neuen Stürmer einschlagen? Zu den Befürwortern des Sportchefs zählt ja nicht nur Schäfer, sondern auch Präsident Dieter Schneider. Beide könnten die Hoffnung hegen, dass sich bei einem Positivlauf die Stimmung pro Hinterberger wendet. Denkbar ist aber auch, dass der Verein keinen Kandidaten findet, der dem Anforderungsprofil des Investors entspricht. Sollte Hinterbergers Abschied wirklich besiegelt sein, wäre es in jedem Fall fahrlässig, nicht jetzt schon einen Mann zu holen, der die neue Saison plant. Die Spieler- und Funktionärsfrauen des TSV 1860
Hinterberger selbst sieht die Sache fatalistisch. Er weiß, dass bei den zehn Spielern, die er geholt hat, nicht nur Blancos dabei waren. Außerdem kennt er die Branche seit Jahrzehnten – und 1860 noch ein bisschen länger. „Zu Beginn der Saison wirst du als Manager des Jahres gefeiert“, sagt er. „Wenn’s dann nicht so läuft, kriegst du was um die Ohren. Das ist normal in diesem Geschäft.“ Mag sein, dass er wirklich so cool ist, wie er tut. Vielleicht hat er inzwischen aber auch die nötige Distanz zu seinem „Traumjob“. Hinterberger sagt: Am Ende muss immer „die Freude überwiegen“. Das war zuletzt definitiv nicht der Fall.