Vier Frei-Tickets und 20 Kauf-Karten standen Gerhard Tremmel für Wembley zur Verfügung - und der Ex-Cottbus-Keeper hat sie alle genommen. Ein ganzer familiärer Fan-Trupp reist zum englischen Ligapokal-Finale am Sonntag zwischen Swansea City und Viertligist Bradford City aus Deutschland an: Die zwei Brüder, seine Frau Sarah aus Berlin, zig Freunde. Schließlich spielt der gebürtige Münchner «the biggest game of my career», und vielleicht sein «first and last final», wie er bei Swanseas Medientag am Donnerstag sagte. Denn er sei er ja nicht mehr «twenty-one». Sondern 34 Jahre alt.
Tremmels Erfolgsgeschichte mit den «Swans» ist Fußball-Romantik pur. Nicht nur der eigentliche Ersatzkeeper, auch dieser liebenswerte Underdog-Club Swansea City bestreitet zu seinem 100-jährigen Bestehen just sein erstes großes Endspiel. In der zweitgrößten Stadt von Wales herrscht Ausnahmezustand - Swansea ist mit Fähnchen geschmückt, der spanische Top-Scorer Michu kann derzeit nicht so relaxt wie sonst in den Supermarkt schlendern. «Wales ist ein kleines Land, Swansea eine kleine Stadt, für die Menschen ist das etwas ganz Besonderes. Es ist der größte Tag des Clubs», sagt Trainer Michael Laudrup, der selbst als Profi fast alles gewonnen hat. «Meinen Spielern sage ich: 'Genießt das einfach'».
Aber Achtung! Diesmal lastet auf den Schwänen gegen die Zwerghühner (Bantams) der Druck des «klaren Favoriten», wie Tremmel meint. «Das ist sehr gefährlich.» Obendrein hat der Viertligist, der im Viertelfinale den FC Arsenal aus dem Pokal warf, Beistand vom Dalai Lama. Dem hatte der Club im Vorjahr bei einer Konferenz in Yorkshire ein personalisiertes Trikot geschenkt, weil die Clubfarben Gelb und Bordeaux der traditionellen Robe der buddhistischen Mönche Tibets ähneln. Prompt erhielten sie nun ein Schreiben. «Seine Heiligkeit» wünschte dem Team «jeden Erfolg für das große Match».
Der Beistand des Dalai Lama beeindruckt und amüsiert auch Tremmel. Fahrlässig unterschätzen werde Swansea die Bantams in Wembley vor der imposanten Kulisse von 90 000 Fans aber keineswegs: «Die Chance wird für viele vielleicht nie wieder kommen - mich eingeschlossen.» Die Anhänger nennen den 1,90-Meter-Mann «Big G» oder «Ginger Ninja» (wegen des ingwerfarbenen Haars). Taxi-Fahrer Roy erzählt: «Gerhard ist sehr beliebt. Er hat einen Platz in den Herzen der Fans, weil er ein großartiger Torhüter und so ein normaler, liebenswerter Typ ist.»
Tremmel gibt das Kompliment an die «unglaublich freundlichen Leute» in Swansea zurück. Der Oberbayer mag das landschaftlich schöne Wales. In 200 Metern Luftlinie sieht er von seinem Balkon das Meer. Und er mag diesen familiären Club, der das rebellische «Thunderstruck» von AC/DC als Einlaufmusik hat und wegen des spanischen Spielstils «Swansealona» genannt wird. So verlängerte Tremmel kürzlich um zwei Jahre - auch wenn er in der kommenden Saison voraussichtlich weiter nur Ersatzmann hinter Michel Vorm ist. «Das war mir in dem Moment gar nicht wichtig», sagt Tremmel. «Ich hätte nach Deutschland zurückgehen können, für drei Jahre unterschreiben können bei einem großen Club», wohl auch als Nummer zwei. «Aber hier passt einfach alles für mich.»
Laudrup wollte ihn unbedingt halten. Der Däne, der inzwischen sogar bei Real Madrid im Gespräch ist, meint über den deutschen Routinier: «Er hat eine großartige Saison gehabt - der zweite Keeper ist die schwierigste Position im ganzen Team.» Tremmel glänzte während Vorms zwei Verletzungspausen als ebenbürtiger Stellvertreter. Er hatte zeitweise die beste Statistik aller Premier-League-Keeper. Im Ligapokal war der Ex-Cottbusser von Saisonbeginn gesetzt. «Er wurde besser und besser», sagt Laudrup. «Und er ist mental sehr stark.»
Im Lametta-Regen von Wembley hüpfte Gerhard Tremmel überglücklich mit dem silbernen Ligapokal auf der Ehrentribüne herum. Der frühere Energie-Cottbus-Keeper holte sich mit Swansea City am Sonntagabend die erste große Trophäe seiner Karriere. Der Premier-League-Club aus Wales wurde seiner Favoritenrolle beim 5:0 (2:0)-Erfolg gegen den Viertligisten Bradford City absolut gerecht und qualifizierte sich damit für die Europa League. Die Swans (Schwäne) sicherten zum 100-jährigen Clubjubiläum den ersten größeren Titel ihrer Geschichte. «Als Trainer ist das ganz oben bei meinen Erfolgen - der erste Pokal in 100 Jahren. Ich bin sehr stolz auf mein Team», sagte Coach Michael Laudrup.
Auch für den 34-jährigen Tremmel war es die Titel-Premiere. Der gebürtige Münchner, der praktisch nicht geprüft wurde, hatte zuvor vom «größten Spiel meiner Karriere» gesprochen. Eigentlich ist er der Ersatzkeeper in Swanseas Team, war aber im Ligapokal gesetzt. Auch mit herausragenden Premier-League-Leistungen als Ersatz für den bereits zweimal verletzten Michel Vorm ist er zum Fanliebling in Swansea aufgestiegen.
Die Tore für das Team von Trainer Michael Laudrup erzielten vor 82 597 Zuschauern im fast ausverkauften Wembleystadion Mittelfeldspieler Nathan Dyer (16./47.), der spanische Top-Torjäger Michu (40.) und der Belgier Jonathan de Guzman (59./Foulelfmeter/90.+1). Bei den Bantams (Zwerghühnern) aus Bradford sah Torhüter Matt Duke die Rote Karte, nachdem er mit einem Foul an de Guzman den Elfmeter verschuldet hatte.
Bradford blieb damit nach dem bereits sensationellen Einzug ins Finale die Krönung des Pokal-Märchens verwehrt. Die Nord-Engländer hatten im Verlauf des Wettbewerbs drei Erstligisten - Wigan Athletic, FC Arsenal und Aston Villa - ausgeschaltet und waren überhaupt erst der zweite Viertligist nach Rochdale (1962), der im Ligapokal-Endspiel stand.
Dabei hatten sie sogar die Unterstützung des Dalai Lama, der ihnen in einem Schreiben «jeden Erfolg für das große Match» gewünscht hatte. Die Vereinsfarben der Bantams - Weinrot und Gold - ähneln den traditionellen Roben der tibetanischen Mönche. Deshalb hatte Bradford dem Dalai Lama im Vorjahr bei einer Konferenz in England kurzerhand ein personalisiertes Trikot geschenkt. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------