Der ehemalige 1860-Geschäftsführer hinterlässt viele Baustellen für seine (noch unbekannten) Nachfolger
VON OLIVER GRISS
Der TSV 1860 steht wieder vor einem Neuanfang. Dabei hatte Ex-Geschäftsführer Robert Schäfer im Sommer noch in die Notizblöcke der Reporter diktiert: “Das ist der beste Kader seit dem Abstieg. Wir wollen aufsteigen.” Dazu lief die Mannschaft in der Vorbereitung sogar mit dem Slogan “Jagdsaison” auf. Dass Schäfers Ansagen nicht mehr als eine Verkaufsstrategie waren, sieht man jetzt: Baustellen in allen Bereichen. Schon jetzt klar: Der oder die neuen Geschäftsführer beim TSV 1860 müssen Schäfers Scherbenhaufen aufräumen. Die Bilanz des ehemaligen IMG-Ticketverkäufer:
Die Spaltung der Gesellschafter: Schäfers Wendehals-Politik, zuerst gemeinsam mit dem Investor Ex-Präsident Dieter Schneider anzugreifen, um später dann mit anderen Verbündeten gegen den Investor vorzugehen, verursachte das pure Chaos an der Grünwalder Straße. Schäfer schaffte es zu keiner Zeit, die richtige Balance zwischen Verein und Hauptgesellschafter zu finden. Nach außen gab zwar Schäfer immer den smarten Versteher (“Ismaik ist der Retter des TSV 1860″), doch intern war`s eine andere Geschichte. Es war vermutlich kein Zufall, dass Meldungen lanciert wurden, dass Ismaik seine Anteile verkaufen wolle und der Löwen-”Scheich” gar kein Geld habe…
Keine Transparenz der Finanzlage: Auf den Geschäftsbericht von 2011/2012 warten die Mitglieder und Fans noch immer – weil Schäfer Angst vor der Veröffentlichung hatte? Einer aus dem inneren Zirkel sagte zu dieblaue24: “Die Bilanz ist verheerend.”
Der Einstieg von Infront: Dass der Vermarkter bei 1860 mit einem Signing Fee von 2,3 Millionen Euro eingestiegen ist, dafür hat sich Schäfer mit der danach erteilten Lizenz feiern lassen – in Wirklichkeit ging es nur darum, ohne Ismaiks Geld zu überleben. Doch Gerhard Mayrhofer ist längst zurückgerudert und betont immer wieder, dass man Ismaik brauche. Mit dem Infront-Deal ist der Verein nun acht Jahre an seine zweiten Vermarkter neben H.I. Squared International gebunden. Aus Klub-Sicht eine Farce.
Seine Alleingänge: Eigenmächtig – ohne Rücksprache mit Hauptgesellschafter Hasan Ismaik – verlängerte Schäfer Mitte April die Verträge mit dem umstrittenen Sportchef Florian Hinterberger und Trainer Alexander Schmidt: “Mit dieser Entscheidung gehen wir unseren vernünftigen Weg konsequent weiter.” Dass Ismaik über Scheele gebeten hatte, mit dem Vollzug der beiden Führungskräfte noch zu warten, ignorierte Schäfer.
Zuschauerschwund: Klammert man den Pokal-Hype gegen Dortmund mit einer ausverkauften Kulisse von 71.000 Besuchern aus, geht die Fan-Misere des TSV 1860 unvermindert weiter. Inzwischen liegt der Klub nur noch bei einem Zuschauerschnitt von 17.525 pro Spiel. Damit liegt der Altmeister von 1966 in der Zuschauertabelle der Zweiten Liga auf Platz neun, sogar Aufsteiger Arminia Bielfeld hat mehr Zuschauer im Schnitt. Schäfer konnte zu keiner Zeit den Mythos 1860 wecken.
Die Lauth-Demontage: Mit der Unterstützung Schäfers rasierte Ex-Trainer Alex Schmidt Benny Lauth, nahm ihm die Kapitänsbinde weg, warf ihn aus dem Mannschaftsrat und stellte dann sogar seinen Stammplatz in Frage. Schäfer, damals oberstes Organ in der Fußball-Firma, schritt nicht ein, tolerierte die Entmachtung des populärsten 1860-Spielers.
Der Umgang mit Ismaiks Statthalter: Schäfer bekämpfte Noor Basha – und damit auch Ismaik – mit allen Mitteln: Am Ende traf man sich sogar vor dem Arbeitsgericht. Der ehemalige 1860-Geschäftsführer “schwärzte” Basha auch vor dem KVR an, um Ismaiks Cousin die Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen. Erst durch das beherzte Eingreifen von Anwalt Michael Scheele wurde diese peinliche Posse aufgedeckt.
Posse um die Meister-Löwen: Im Sommer 2011 strich Schäfer zunächst die Dauerkarten für die Meister-Löwen von 1966, um dann kurz später seinen Fehler mit hochrotem Kopf wieder zu revidieren: “Natürlich sind die Meister-Löwen unsere Heros. Jeder bekommt zu jedem Spiel eine VIP-Karte.” Überhaupt konnte Schäfer die Tradition von 1860 nicht richtig einschätzen: Zuletzt bei der Eröffnung des Grünwalder Stadions spielte eine Traditionsmannschaft fast ohne namhafte Alt-Stars. Bernhard Winkler, der ehemalige Torjäger der Löwen: “Solange gewisse Leute hier das Sagen haben, spiele ich nicht mehr für 1860.”
Der Halfar-Abschied: Schäfer unterstützte Ex-Trainer Schmidt in seinem Vorhaben, den Mittelfeldspieler zu verkaufen. Aus Geldnot. Für rund 250.000 Euro (!) wechselte Halfar dann die Seiten, unterschrieb bei “Aufstiegskonkurrent” Köln. Am Rhein klopfen sie sich ob dieses Transfers gegenseitig auf die Schenkel…
Fußball-Kompetenz: Schäfer schrieb gerne und ausführlich das Vorwort im Stadion-Magazin – und fiel dort nicht selten mit seiner Unwissenheit auf: Stärkster Kader, Top-Neuzugänge – und hervorragender Trainer (Alex Schmidt). Dabei hatte einer wie Ex-Vizepräsident Fredi Heiß immer gemahnt: “Mir fehlt die Fußball-Strategie in meinem Verein.” Nun droht die Mannschaft auch in dieser Saison im Mittelmaß zu versinken, siehe das desaströse 0:3 in Kaiserslautern.
Wirken sich Schäfers Fehler nun auch auf seine Abfindung aus? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------