Von der Geschäftsführer-Suche bis hin zur Traditionspflege - der neue Präsident muss den TSV 1860 umkrempeln
VON OLIVER GRISS UND PHILIPP RUIZ (Foto)
Der Präsident hat`s oft genug gesagt: “Die Realität, die wir hier sehen beim TSV 1860, ist halt nicht nur schön. Es gibt noch viel zu tun, viele Baustellen. Und auf Baustellen dreht man oftmals Steine um.“ Es sind viele Baustellen, die Gerhard Mayrhofer (51) jetzt anpacken muss:
Die Geschäftsführer-Suche: Nachdem Robert Schäfer ein AZ-Interview zum Verhängnis wurde, aber dies dem Verein in die Karten gespielt hat, weil der Jurist viel verbrannte Erde hinterlassen hat, sucht der TSV 1860 nun einen Geschäftsführer via Headhunter. “Dieses Mal müssen wir den Richtigen finden”, sagt Mayrhofer, der sich bei der Suche nicht unter Druck setzen lassen will. Kommissarisch leitet Sportchef Florian Hinterberger derweil die Geschicke. Wunschkandidat Andreas Rettig (DFL) hat bereits abgesagt. Fakt ist: Die Geschäftsstelle, der 3. Stock, in der Geschäftsstelle braucht einen neuen Geist.
Die Mannschaft: Obwohl der Verein im Sommer mit dem Slogan “Jagdsaison” vollmundig zur Großoffensive geblasen hatte, ist die Mannschaft auch in diesem Jahr offenbar nicht mehr als Mittelmaß. Schon jetzt beträgt der Rückstand auf die Aufstiegsplätze sechs Punkte – und die schweren Spiele (Köln, Karlsruhe, Fürth, Union) folgen erst. Viele Verträge laufen im Sommer aus, u.a. von Benny Lauth, Gabor Kiraly, Daniel Bierofka, Rob Friend und Christopher Schindler. Gut möglich, dass bereits im Winter der große Umbruch bei 1860 eingeläutet wird. Zumindest sagte Mayrhofer nach dem desaströsen 0:3 in Kaiserslautern: “Ich denke, heute hat sich auch unsere Mannschaft angeboten, umgebaut zu werden.” Unübersehbar: Der Mannschaft fehlt nicht nur die spielerische Qualität, sondern auch mehrere Leader.
Die sportliche Leitung: Sportchef Florian Hinterberger (Vertrag läuft im Sommer aus) steht schwer in der Kritik – weil er sich in seiner zweieinhalb jährigen Amtszeit zu viele Flops (Blanco, Makos, Malura, Nicu) geleistest hat. Auch Hinterbergers jüngste Neueinkäufe (Hain, Adlung, Stark) haben bislang noch nicht den Nachweis erbracht, dass die Qualität reicht, um aufzusteigen. Zuletzt sagte Hinterberger in der “AZ: “Ein Sportdirektor ist nur so gut wie sein Geldbeutel.” Ein Zufall, dass zuletzt Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann als neuer sportlicher Geschäftsführer gehandelt wurde? Nicht nachzuvollziehen ist auch der Verkauf von Daniel Halfar an den 1. FC Köln für 250.000 Euro. Außerdem sollte 1860 sein komplettes Scouting-System überdenken und vor allem die Kontakte zu ehemaligen Spielern, vor allem aber auch ins Ausland (Costa, Pele, Borimirow, Tyce, Suker, Nowak, Agostino), forcieren.
Der Fanschwund: Durchschnittlich kamen bisher 17.240 Fans zu den 1860-Heimspielen in die Allianz Arena – ein ernüchternder Schnitt. “Es ist bedauerlich”, so Sportchef Hinterberger, “dass immer weniger Zuschauer kommen.” Doch ohne fußballerische Qualität, keine Begeisterung beim Anhang. Dass das Potential da wäre, hat das Pokalspiel gegen Dortmund (0:2 n.V.) gezeigt, als 71.000 Fans die Drehkreuze in Fröttmaning passierten. Es ist auch Mayrhofers Aufgabe, den schlafenden Riesen gemeinsam mit einem neuen Geschäftsführer zu wecken. Der Verein muss wieder mehr an die Fan-Basis ran, über die Dörfer tingeln, um glaubwürdig zu sein. Und: Der Lager-Gedanke (ARGE/Pro1860) muss aufhören.
Die Finanzen: Man hängt am Tropf von Gesellschafter Hasan Ismaik – die ausstehende Bilanz von 2011/2012, die von Ex-Geschäftsführer Schäfer bis zuletzt zurückgehalten wurde, soll erneut desaströs sein. Der Schuldenberg soll erheblich angewachsen sein. Mayrhofer in der “SZ”: “Das ist halt die Realität. Und diese Realität wurde in der Vergangenheit zu sehr ignoriert. Oder moduliert. Für mich geht es um knallharte Fakten. Wo stehen wir? Die Sponsorengelder gehen nach unten, die Zuschauerzahlen auch.” Mehr als ungünstig: Weil Schäfer partout nicht mit Ismaik zusammen arbeiten wollte, hatte er mit Infront – neben H.I. -einen zweiten Vermarkter ins Haus geholt. Der verdient jetzt erstmal mit…
Die Tradition pflegen und Sechzig leben: In den letzten Jahren wurde an der Grünwalder Straße Vieles versäumt: Es muss wieder aktiv auf die Jugend zugegangen werden (Kindergärten, Schulen, Fußball-Camps) – und wichtig für die Identifikation: Helden von einst (u.a. Bernhard Winkler, Martin Max, Thomas Häßler, Michael Hofmann) gehören in die Vereinsarbeit eingebunden.
Die Außendarstellung: Mayrhofer will weg vom Komödienstadel-Image. Deswegen überdenkt er auch die Pressearbeit des Klubs. “Es ist noch viel Arbeit, weil wir auch benutzt werden, um so rüberzukommen”, meinte Mayrhofer gegenüber der “SZ”. Damit er die Pressearbeit filtern kann, spricht Mayrhofer künftig nur einmal die Woche in einer Pressekonferenz. Der richtige Schritt auf dem Weg in die Professionalität.