Ich sehe die nächsten Fußballjahre vor mir. Ob mit prophetischer Klarheit oder neurotischer Verklärtheit, vermag ich zu diesem Zeitpunkt nicht zu sagen. Aber ich kenne mein Glück.
Der FC Bayern München, dieser gefräßige Behemoth aus dem Süden der Republik, wird die Deutschen Meisterschaften einfach so mitnehmen, so oder so. Die nächsten Champions League-Finalspiele werden gewonnen, wie noch nie eine Mannschaft Finalspiele gewann. 5:0, 6:0, oder 7:1. Gegen wen? Egal. Sepp Blatter, Michel Platini und der Papst werden zur Geschäftsstelle an die Säbener Straße pilgern und in einem feierlichen Akt verkünden, dass weltweit das Fußballspielen eingestellt werden müsse. Denn keine Ansammlung von Menschenwesen wäre noch in der Lage, so einen gigantischen Super-Fußball zu zelebrieren, wie es die Super-Bayern unter dem Super-Trainer, dem Super-Pep taten.
Ich werde dann wie der Grinch aus dem Film in einer Höhle hocken, schmollend die Arme verschränken, über meinem Kopf eine Gedankenwolke mit Totenkopf, geballter Faust und brennender Dynamitstange, wie im Comic, und ich werde in die Stille zischen: "Nein, ich mag sie trotzdem nicht!"
Ich weiß nicht genau wann das anfing. Ich glaube, es war im ersten Viertel der Saison 2011/2012. Da schrieb der damalige Sportbild-Chefredakteur Jochen Coenen in seinem Editorial, dass der FC Bayern in Deutschland immer beliebter wäre, zumal - so stand das tatsächlich da - immer mehr ihrer Spieler auch in der Nationalmannschaft spielen würden. (Diese Begründung kann man zwar kognitiv verstehen, aber sie erklärt rein gar nichts. Denn den starken Bayernblock in der Nationalelf gibt es seit den frühen 70ern. Aber pfff macht die Luftpumpe.)
Es ist bei mir so. Die Bayern können den allergalaktischsten Fußball aller Zeit spielen, sie werden mir keinen Millimeter sympathischer. Niemals. Never ever. Ich weiß, das ist unvernünftig, unsachlich, starrsinnig und eine ganze Menge mehr. Aber es bleibt dabei. Und ich habe Recht! Mal so ganz objektiv gesehen.
Der Grund dafür manifestiert sich irgendwo zwischen dem DFB-Pokalfinale 2012 und dem Gewinn der Meisterschaft 2013. Es geht doch letztens Endes um das Selbstverständnis eines Vereins. Um das Image. Die Marke. Es geht um Arroganz und Selbstherrlichkeit, und um die Erwartungshaltungen des Sonnenkönigs. Nach dem Motto: Platz zwei ist Majestätsbeleidigung!
2012 verteidigte Borussia Dortmund ihre Meisterschaft. Es war - das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen - das erste Mal seit 1996, dass die Münchener Bayern länger als ein Jahr ohne Titel blieben. Egal wer bis ins Jahr 2010 aus Versehen deutscher Meister wurde (Dortmund, Bremen, Stuttgart und Golfsburg, und nein, das ist kein Tippfehler), es waren alles Eintagsfliegen. Die Bayern konnten sicher sein, dass die Schale spätestens im nächsten Jahr wieder in der eigenen Vitrine glänzte. Doch in diesem Saisonfinale, in dem ihnen der BVB schon wieder ungefragt die Meisterschaft wegnahm und dann auch noch das Pokal-Finale 5:2 gewann, da wurde es für die Edelkicker doch zu viel. Wie hilflos sie nach Spielende mit den Worten rangen und in die Mikrofone stotterten, heulend wie die Klageweiber. Fast legendär wurde Philip Lahms verdutztes Ähhm-wir-waren-doch-eigentlich-die-bessere-Mannschaft-Interview. Ich weiß nicht, ob die Bezeichnung "schlechte Verlierer" fair und angemessen ist, aber souverän und anerkennend hört sich das nie an.
Danach war es Toni Kroos, der aus dem Trainingslager der Nationalelf ein letztes, hilfloses S.O.S. funkte: "Wir waren besser als Dortmund." Ich hätte mir da jemanden gewünscht, der diesen zweifellos begabten jungen Mann zu Seiten nimmt, ihm zärtlich links und rechts ein paar Watschen verpasst und anbrüllt: "Nein, wart ihr nicht, guck auf die Tabelle! Und jetzt konzentriere dich bitte, wie haben Europameisterschaft!!"
2012 wurde der FC Bayern dreimal Zweiter in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League. Ein Ergebnis, auf das man wenigstens ein bisschen Stolz sein konnte? Von wegen. Man hatte den Eindruck, es müssten ganze Busladungen mit Psychotherapeuten nach München und Umgebung ausschwärmen, um eine Massendepression zu verhindern. Die beleidigten Fans reagierten sich in den üblichen Internetforen und Kommentarspalten von sport1 et al. ab. Wie kleine Blagen, die zur Abwechslung mal nicht den größten Lolli von allen bekamen.
Was danach kam, war diese Super-Duper-Saison 2013 mit gefühlten hundert Punkten Vorsprung vom Bundesligarest. Da wurde es auch dem Letzten klar. Wenn Dortmund, Bremen oder Stuttgart Meister wird, geht für Spieler und Fans ein Traum in Erfüllung. Fans des FC Schalke 04 würden ihre Oma an den Teufel verkaufen. (Und wenn die Oma auch Schalke-Fan wäre, würde sie auch mitmachen.) Wenn der FC Bayern Meister wird, wird ein Geschäftsplan abgegolten. Es ist Pflichterfüllung, Statusbestätigung. Der standesgemäße Abschluss einer Spielzeit.
Als wenig später das Triple perfekt war, dieser wahrlich historische Triumph, trompetete die Abendzeitung was von über 100.000 Fans, die zu den Feierlichkeiten in der Münchener Innenstadt erwartet wurden. Am Ende schauten 16.000 vorbei, irgendwann zwischen Sektfrühstück und Dorfdisco. Sech-zehn-tausend. Prust und lach. Muss man noch mehr sagen?
Ein Verein, der mir allen Ernstes weiß machen will, zwei titellose Jahre seien ein einziges Martyrium, für den selbst das Double aus Meisterschaft und Pokal nur netter Standard ist, der anscheinend erst dann zufrieden ist, wenn sich der Rest von Fußballdeutschland im Staub wälzt, ein solcher Verein kann nie meine Sympathie bekommen. Auch keinen geborgte. Nicht mal für einen Abend.
Und deswegen schrei(b) ich es, und ich schrei(b) es laut: Ich. Mag. Sie. Nicht!