Achtung, Aufnahme: Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz will Gesichtsscanner in Fußballstadien einsetzen lassen. Datenschützer und Fans laufen Sturm gegen die geplanten Überwachungsmaßnahmen, der DFB dürfte über einen neuen Konflikt nicht begeistert sein.
Hamburg - Einmal schon war er wer. 2007, als die Mächtigen der Welt zu ihm nach Mecklenburg-Vorpommern kamen, als sich Zehntausende Polizisten und Demonstranten ein verschärftes Geländespiel in den Rapsfeldern rund um Heiligendamm lieferten und er die Truppen kommandierte: Lorenz Caffier, gelernter Forstfacharbeiter, diplomierter Ingenieur für Landtechnik und amtierender CDU-Innenminister. Jetzt, fünf Jahre später, steht er wieder auf der großen Bühne.
Inzwischen nämlich hat das nordöstlichste Bundesland, in dem auch der Wahlkreis Angela Merkels liegt, den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernommen. Womit wiederum Lorenz Caffier für die Dauer eines Jahres einer der bedeutendsten Sicherheitspolitiker Deutschlands ist - und diese Zeit will sinnvoll genutzt sein. Der als bodenständig geltende Pastorensohn hat sich daher ein Projekt verordnet, das er wohl für ebenso wichtig wie schlagzeilenträchtig hält. Es geht um Hooligans.
Caffier plant, künftig Gesichtsscanner in Fußballstadien einzusetzen. Damit sollten Randalierer, Caffier sagt "Chaoten", zuverlässig aus den Arenen ferngehalten werden. Die Geräte könnten die Gesichter der Besucher mit Bildern aus der Datei "Gewalttäter Sport" abgleichen und Alarm schlagen, wenn sich ein Problemfan in die Arena schleichen will. Der Minister geht davon aus, dass Stadionverbote derzeit nicht wirksam durchgesetzt werden, weil etwa bei Auswärtsspielen die Rowdys nicht zweifelsfrei identifiziert werden könnten.
Nach Auskunft des Schweriner Innenministeriums hat man daher eine Machbarkeitsstudie zum Einsatz der Gesichtsscanner in Auftrag gegeben. Eine Arbeitsgruppe soll nun die Möglichkeiten der Technik und deren rechtliche Einsetzbarkeit prüfen. Dabei würden auch internationale Expertisen berücksichtigt, heißt es. Anschließend werde man versuchen, in einem Pilotprojekt eigene Erfahrungen zu sammeln: Big Brother bei Hansa Rostock.
Fan-Kenner spricht von Armutszeugnis für die Demokratie
Datenschützer kritisieren die Pläne jedoch scharf. Auf SPIEGEL-ONLINE-Anfrage sagt der Kieler Thilo Weichert, dass er "massive Bedenken" gegen Gesichtserkennungsmaßnahmen in Stadien habe. Betroffen wären "nicht nur Gewalttäter, sondern in der Hauptzahl unschuldige und unverdächtige Personen, die sich ein Fußballspiel anschauen wollen". Es bestehe "eine hohe Gefahr" von falschen Treffern, aus denen wiederum unangenehme polizeiliche Maßnahmen entstehen könnten.
"Die Hoffnung, mit Gesichtserkennung Sicherheit in die Fußballstadien zu bekommen, ist absolut illusorisch", so Weichert. Es gebe keine technischen Lösungen für soziale Probleme. "Gesichtserkennung ist derzeit noch ein untaugliches und perspektivisch weiterhin ein äußerst gefährliches Hilfsmittel."
Der Berliner Soziologe und ehemalige Sprecher des Fanbündnisses Baff, Gerd Dembowski, ist empört von den Überwachungsplänen: "Es ist ein Armutszeugnis für jede Demokratie, wenn an solche Methoden gedacht wird." Den Ursachen des Hooliganismus komme man nicht mit "Gesichtserkennungsrobotertum" bei. Die dazu benötigten Finanzmittel sollten besser für Fachleute aufgebracht werden, die das Verhalten von Polizei und Fans analysierten und alternative Handlungsmöglichkeiten entwickelten.
Der bundesweite Dachverband der Fan-Organisationen lehnt den Vorstoß ebenfalls ab: Hier würden "unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Straftaten die Bürgerrechte noch weiter ausgehöhlt", so der ProFans-Sprecher Philipp Markhardt. Es handele sich lediglich um den "Testballon" einer Technik, die später auch auf anderen gesellschaftlichen Feldern zur Anwendung kommen werde.
Der Deutsche Fußball-Bund wollte sich zu dem Thema derzeit nicht äußern, dürfte allerdings kein Interesse an einer neuen Auseinandersetzung mit den Fans haben. Schließlich hat sich der Konflikt in der Debatte um den Einsatz von Pyrotechnik in den Stadien, der zwischenzeitlich eskaliert war, erst Anfang Januar ein wenig abgekühlt.
Polizeigewerkschaft spricht von "sinnvoller Sache"
In der Praxis ist es mitunter tatsächlich so, dass die von den Vereinen ausgesprochenen Stadionverbote vor allem von sogenannten Szenekundigen Beamten der Polizei kontrolliert werden. Sie weisen die Clubs auf diejenigen hin, die eigentlich gar nicht mehr in den Arenen sein dürften. In der Praxis stelle das aber kein großes Problem dar, sagt der Sicherheitsbeauftragte eines Bundesligisten, die Undercover-Störer verhielten sich zumeist sehr unauffällig.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) begrüßt dennoch die Erprobung der Gesichtsscanner. "Ich halte das für eine sinnvolle Sache", so der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. "Wir müssen alle rechtlichen und technischen Möglichkeiten ausschöpfen, um Schläger aus den Stadien herauszuhalten." Die Datei "Gewalttäter Sport" biete dazu eine hervorragende Grundlage.
In dieser Hooligan-Kartei, die im nordrhein-westfälischen Duisburg geführt wird, sind nach offiziellen Angaben derzeit etwa 13.000 Personen erfasst. Fan-Anwälte monieren seit geraumer Zeit, dass die Behörden nicht darüber informierten, wer in die Sammlung aufgenommen werde. Auch sei eine Löschung der Daten nur äußerst schwierig zu erreichen. Ein erster biometrischer Feldversuch des Karlsruher Instituts für Technologie war bereits im vergangenen Sommer auf ganzer Linie gescheitert. Die Wissenschaftler hatten im Karlsruher Wildpark bei drei Heimspielen des KSC ihr Projekt "Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen" erproben wollen. Kameras sollten Testpersonen auf den Tribünen erkennen.
Doch der Protest der Fans fiel so heftig aus, dass das Experiment schließlich abgesagt werden musste. In einer Stellungnahme des baden-württembergischen Innenministers Reinhold Gall (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage zweier Landtagsabgeordneter hieß es dann später, das Polizeigesetz enthalte keine Rechtsgrundlagen für derartige Überwachungsmethoden. "Besondere Vorsicht", so war zu lesen, sei beim Einsatz dieser Techniken an "sensiblen Orten" geboten - die da wären: Friedhöfe, Flughäfen, Fußballstadien.